Welches Hauptargument kann man anbringen, wenn man mit der Motorflugausbildung beginnen will und seine bessere Hälfte noch überzeugen muss?
"Aber sieh doch mal, wir könnten dann viele Ausflüge machen! Dann fliegen wir zusammen weg!"
Irgendwann sollte man diese Versprechen auch einlösen und nach einigen wetterbedingt missglückten Versuchen, war es an diesem Sonntag im April nun doch möglich einen Flug zu den Inseln zu wagen, denn bisher hatte es nur für Ziele wie Siegerland und Bad-Neuenahr gereicht.
Am Abend vorher schon in den zivilen Wetterbericht geschaut und Pläne geschmiedet. Das Wetter sollte den ganzen Tag über stabil bleiben, lediglich ab 20:00/21:00 local sollte vom Norden her Wind und Regen aufziehen, aber bis dahin hatte ich vor schon lange weg zu sein. Der Sonntag morgen beginnt selbstverständlich 2 Stunden vor Abflug am Rechner, es wird Wetter studiert. GAFOR wird geprüft, METARs und TAFs gelesen für Plätze entlang der Route die Flugroute festgelegt. Mit prognostizierten Höhenwinden von 230 Grad mit 15kt in 1.500ft und höher, hatte ich 1:35 ausgerechnet für den Hinflug und 1:50 für den Rückflug. In Summe also knapp 3:35 Stunden reine Flugzeit, wobei sich hier nun die Geister streiten dürften, ob das nicht sogar in einer Tour machbar ist. Da ich allerdings die Dimona lieber etwas konservativer rechne, hatte ich für den Rückflug eine Landung in Leer-Papenburg (EDWF) vorgesehen, da dort MoGas zur Verfügung steht. Strich in die Karte, Flugplanung ausgedruckt und auf zum Flugplatz.
Auch die Segelflieger hatten erkannt, dass der Tag zum Fliegen bestens geeignet sein dürfte und an den Segelflughallen war reges Treiben. Die Schleppmaschine wurde rausgerollt, die Segelflugzeuge vorbereitet und die ersten Segelflugschüler hatten schon dieses Funkeln in den Augen. Wir auch! Es sollte nach Langeoog gehen.
Der Abflug in Werdohl-Küntrop (EDKW) war völlig entspannt und Dank mangelnder Bewölkung waren 4.000ft MSL schnell erreicht. Mit den netten Kollegen von Langen Information eben unsere Absichten abgesprochen und sogar die Lufträume D der Flughäfen Dortmund und Münster konnten wir ohne Probleme passieren. Scheinbar ist man schon mit 28, bzw 22, nicht vor Alterbeschwerden gefeit und eine Pinkelpause wurde notwendig. So machten wir entgegen unserer Flugplanung bereits auf dem Hinflug einen Zwischenstopp in Leer-Papenburg, ich entschied mich allerdings gegen eine Tankfüllung, da ich auf dem Rückweg 25L tanken wollte und nicht nur 17-18L auf dem Hinflug. Zum Anderen hatte ich im Kopf die Mittagspause in Langeoog mit 12:00 (die sich nachher als 13:00 rausstellte) und die Zwischenlandung in Leer brachte meine 45min Ankunft vor Mittagspause ein wenig in Wanken. Wir starteten also verrichteter Dinge wieder aus Leer-Papenburg und flogen die restlichen 20 Minuten weiter bis nach Langeoog.
(Image Source: www.flightradar24.com Maps: Geobasis-DE/BKG, Google)
Die Insel Langeoog ist zu Fuß super zu erkunden, es sind wenige Minuten in den Ortskern, wenige Minuten zum Strand und wenige Minuten zum Hafen. Man sollte sich allerdings auf die Fußarbeit einstellen, denn sonst gibt es nur Pferdekutschen und eine Bimmelbahn vom Hafen zum Ortskern. Autos und andere Kraftfahrzeuge gibt es hier nicht, daher ist es auch sehr ruhig und idyllisch auf der Insel.
Unser Abflug aus Langeoog beginnt ein paar Minuten nach Ende der Mittagspause, gegen 15:20 ging es für uns aus Langeoog über Piste 23 raus und weiter in Richtung Leer-Papenburg, zu unserem planmäßigen Zwischenstopp zum Tanken. 25min später meldeten wir uns auch schon bei Leer Info an und bekamen die Windangabe: 210 Grad 15 Knoten mit Böen von 25 Knoten. 25 Knoten sind für den Motorsegler natürlich problematisch, wir haben uns allerdings zu einem Anflug entschieden, denn Tanken wollten wir und beim Hinflug hatten wir ohne die Böen fast ähnliche Bedingungen vorgefunden. Der erste Anflug erfolgte etwas zu tief und so kamen wir vor der Schwelle, die im Süden mit Baumreihen verbaut ist, in eine Lee-Verwirbelung, die unseren Anflug instabil machte. In der Ausbildung lernt man es ja zur Genüge, deshalb instinktiv Gas rein, stabilisieren und mit einer weiteren Platzrunde neu ausrichten. Doch leider ging auch der zweite Anflug nicht in eine Landung über, obwohl wir da viel höher anflogen und eher auf die Bahnmitte, weit weg von den Verwirbelungen zielten. Nach dem zweiten abgebrochenen Landeversuch musste ich also auf Plan B zurückgreifen: Tankinhalt umrechnen in Flugzeit und Ausweichmöglichkeiten finden.
(Image Source: www.skyvector.com - Maps: SkyVector, ARINC, OpenStreetMap)
Die Flugplätze Emden (EDWE), Westerstede (EDWX) und Oldenburg (EDWH) hatten zwar alle mindestens AvGas, lagen aber alle genauso an der Küste wie Leer-Papenburg. Ob dort die Landung sicherer gewesen wäre, blieb also fragwürdig. Südlich von Leer-Papenburg erstrecken sich mehrere Beschränkungsgebiete, welche unter der Woche aktiv sind, daher ist dort die Dichte an Flugplätzen eher gering. Meine beiden Anflüge auf Leer-Papenburg hatten mich etwa 15-20min Flugzeit gekostet, da durch den Steigflug nach dem Durchstarten etwas mehr Treibstoff verbraucht wird, als im Reiseflug. Ein Blick auf meinen Tankinhalt sagte: 70min vor Reserve. Mit einem Gegenwind von etwa 15-20 Knoten also eine ungefähre Geschwindigkeit über Grund von 80-90 Knoten, je nach Flugrichtung. Auf der Karte weiter in Richtung Süden gewandert und einen Flugplatz entdeckt, den ich schon auf einem Flug mit Mirko angeflogen bin: Osnabrück-Atterheide (EDWO). Auf Bremen Information konnte ich meine Lage kurz schildern und der freundliche Kollege bestätigte mit einem Anruf in Atterheide: Mindestens AvGas ist genügend vorhanden! Das dort auch MoGas zur Verfügung stand, fiel mir in dem Moment gar nicht mehr ein, war mir auch zu dem Zeitpunkt völlig - wie man so schön sagt - schnuppe! Meine Freundin bekam also die Karte in die Hand gedrückt und die Aufgabe: "Hier sind wir! Hier will ich hin! Verfolge uns auf der Karte mit dem Finger, Autobahnen, Flüsse und Ortschaften als Referenz nutzen!".
In der heutigen Zeit der digitalen Flugplanung ist so eine Karte wirklich nützlich, aber auch das GPS wollte ich an der Stelle nicht missen. Zwar lernt man die manuelle Berechnung der Geschwindigkeit über Grund auch in der Ausbildung, doch ein Angabe direkt am GPS mit Distanz zum neuen Ziel EDWO, mit Groundspeed und errechneter Zeit zum Ziel nimmt einem sehr viel Arbeitslast ab. Denn ab dem zweiten abgebrochenen Versuch in Leer musste ich feststellen: Mein Stresspegel war gestiegen. Mehr also sonst wanderte mein Blick zur Tankanzeige, zur Höhenanzeige und obwohl ich sicher war: 70min + Reserve, wanderte mein Blick immer wieder nach vorne und es wurden Felder begutachtet. Die nächsten 45min bis nach Osnabrück-Atterheide waren eines mit Sicherheit: Anstrengend!
Was macht man nun, wenn man zu einem Platz fliegt, auf den man sich nicht vorbereitet hat? Kartenstudium! Die ICAO-Karte hat für solche Fälle eine wirklich hilfreiche Angabe, nämlich die Platzrundenhöhe und Platzrundenseite in Form von Süd, Nord, West, Ost. Osnabrück-Atterheide hatte also 1.0S angegeben, was mir eröffnete: Südplatzrunde in 1.000ft MSL. Auf Atterheide Info angemeldetet und kurz mitgeteilt: Ich komme außerplanmäßig mit weniger Kraftstoff als ich gerne hätte und würde direkt aus dem Norden anfliegen. Vorbildlich im rechten Queranflug und im Endanflug gemeldet und kurioserweise bei einem Wind von 230 Grad 14 Knoten butterweiche und wie im Lehrbuch beschrieben auf Piste 27 aufgesetzt. Die Tankstelle war nach dem Abrollen schnell erreicht und die freundlichen Menschen aus der Flugleitung halfen sogar beim Betanken.
Wer nun aufgepasst hat, wird festgestellt haben: So gering war der Wind in Atterheide ja nun auch nicht! Was wäre denn gewesen, hätte ich den Anflug dort auch versemmelt, eventuell sogar zweimal?
Für den Fall hatte ich, meinem Ausbildungsleiter LEV sei an der Stelle wirklich gedankt, einen Plan C in der Hinterhand. Denn LEV hatte in der Ausbildung stets betont: Immer einen Plan B haben! Mitdenken, Vorausschauen, Überlegen! Der Plan C in dem Fall wäre ein echt saurer Apfel geworden, denn zwei Platzrunden in Atterheide hätten mich an die Reserve geführt und da wäre mir nur noch eine Option geblieben: Luftnotlage erklären und nach Münster/Osnabrück (EDDG) weiterfliegen. Die hätten zwar vermutlich kein AvGas gehabt, aber eine sehr breite und lange Piste und, so makaber es klingt: Eine Feuerwehr, die weiß, was sie tut. Den Papierkrieg möchte ich mir an der Stelle im Nachhinein gar nicht nicht vorstellen, aber ich hänge nunmal an meinem Leben und da nimmt man jede Option, die sich einem bietet.
Osnabrück-Atterheide hat also nicht nur leckeres MoGas, von dem ich direkt 30L in den Tank packen ließ, sondern auch Kuchen und ein kleines Bistro. Die Cola zur Stärkung und der Kuchen für die Nerven taten wirklich gut, sodass es gegen 17:00 weiter ging Richtung Heimat. Leider war die Frequenz von Bremen Information mittlerweile gut gefüllt, sodass ein Durchkommen zur Anmeldung eines Durchfluges des Luftraum D kaum möglich war und außen herum wollte ich auch nicht. Also brav auf Flugfläche 55 gestiegen und den Luftraum D überflogen, wobei ich kurz über Münster/Osnabrück dann doch eine Anmeldung durchbekam und mit Transponder 3704 in Richtung Heimat weiterflog.
Kurz vor Dortmund wurden wir noch mit einem Spektakel für die bisherigen Strapazen belohnt. EasyJet Flug EZY75CB, ein Airbus A319 aus London-Luton nach Dortmund, kreuzte unseren Flugweg keine 1.5nm vor uns von rechts nach links, knapp 1.500-2.000ft unter uns, auf der Radarführung zum ILS24 in Dortmund. Erst sahen wir sie von rechts nach links kreuzen, dann bei Soest/Werl eine Kurve fliegen und sie kreuzte uns wieder von links nach rechts, während wir in FL55 das ILS24 in Dortmund überflogen. So nah waren wir an einem Airliner bisher nur in Köln/Bonn beim Flug entlang des Rheins gewesen.
Keine 15min später freute man sich auch auf der Frequenz von Werdohl Info uns wieder zu hören und welcher Anblick ist schöner, als die beiden Windräder die unseren Endanflug auf Piste 25 markieren.
Fazit des Fluges? Selbst bei Zwischenstopps sollte man einen Plan B haben und den nicht erst in der Luft entwickeln müssen. Zwar heißt es im Nachhinein "Hätte, Hätte, Fehlerkette!", aber eventuell hätte ich den unplanmäßigen Zwischenstopp auf dem Hinweg doch schon zum Tanken nutzen sollen. Eventuell hätte ich damit mir den Anflug auf dem Rückweg sparen können und direkt bei Osnabrück-Atterheide oder einem anderen Platz tanken können. Oder es hätte sogar sparsam bis nach Hause gereicht. Nachher ist man immer schlauer und die nächsten Flüge werden wieder ein weiteres Stück sicherer werden in der Vorbereitung und Planung...